Archive für den Monat: Mai, 2022

jener bunker, den wir in unserer kindheit entdeckten, an der leinestraße, die von d. nach d. führt, noch immer, in höhe der wiese, auf der damals die margeriten dicht, und zwei jahrzehnte später die parzellen einer kleingartensparte, von pächtern bewirtschaftet, die sich nicht entscheiden mochten, ob sie sich dem ortsteil d. im süden oder jenem im südosten zurechnen sollten, südosten bedeutete: anstalten, haft- und nervenheilanstalt, zwischen beiden die gärtnerei, die zaunslatten dort saßen locker, und hier der bunker im niemandsland, aus gelblich-verschossenem beton, dessen stahltür rostig und ohne schloß/ schlüpften wir hinein mit unseren vogelherzen, spähten durch die öffnungen, die füße auf dem boden, der von betonbrocken übersäht, es knirschte in und außerhalb von uns, das taglicht fand sich in einer falle wieder, doch wir sollten nichts finden, keines jener zeugnisse beredten schweigens, weder munition noch waffen, oder ein foto, das vielleicht einem der straßenschützlinge aus der hosentasche gerutscht –

sonnenlicht rinnt die stufen hinab, im treppenhaus, schlägt auf dem unteren absatz auf/ du musst gegenwärtig sein, mit diesem stich, den du im rücken spürst, lehnst an der wand wie abgestellt, der blick geht zur kiefer draußen, deren stamm entflammt, hörst es rauschen, knistern aus deinem innern, und dir vergeht gleich dem schmerz die erinnerung an jenen lang zurückliegenden morgen, als du allein in der wohnung eines fremden erwachtest –

schlags mir um die ohren, das notenblatt, mein geheul erklänge in dur, kopfnoten hauptnoten und das schöngeistige gesicht, nur geschichte geographie und musik, hafteten mir an wie graphit, schalteten ab, was funktionieren sollte, das ding lief nicht, stauchte die bleistiftspitze aufs papier, karawanen von lettern zogen darüber hinweg und ließen doch keinen zusammenhang zu: wer, was, wohin, zu welchem ende, anderes schien nicht zulässig, als ans ende zu denken oder von ihm aus: du wirst mal landen, wo man tag für tag auf der kreisbahn runden dreht, stirbst ohnehin alsdann –

der nachtfahr draußen, diesmal mit rötlichem fell, lässt die bewegungsmelder aufblitzen, immer wieder/ ich würde für dich die bäume zählen, sagt er, mich im geäst verzweigen und behaupten, dass es nichts zu erzählen gibt –

der frühherbst des jahres ’74 längte sich, nächte hinein trieb er blüten, den zeitgenossen in den lesesaal der ub, er schien wurzeln auszutreiben, an unzähligen abenden im fahlen sehlicht zwischen den regalen der freihandbibliothek, und hoffte eigene zu finden, die literatur über entfernte kontinente dünkte ihm für die suche nicht zu fern, das jahr gab schon zeitig seine abschiedspartys, löste sich auf in ziffern, dem augustseptember folgte der november, dessen dunkelheit mit einem schlag alles vorangegangene auslöschte –

das frühe leben, an die jahre 72/73 dachte der zeitgenosse dabei nicht, eher an die fotografien aus der kindheit, die wenigen aufnahmen, die es von ihm gab, bildchen mit gezackten rändern, als handele es sich um briefmarken, das schwarz ein verschossenes grau, das abgelichtete ich in stadien der unselbständigkeit, in kinderwagen oder laufgitter, an der hand des älteren bruders, die knie angewinkelt, so konnte man doch nicht stehen, während die person hinter der kamera ein lachen, zumindest ein lächeln abverlangte – immer war da ein verlierer, einer, der im ungünstigen licht oder aufzug, in einer haltung, ach – einer wirft den rasenmäher an, staubfahnen steigen auf vom totrasen –

die häuser im viertel gaben sich stets gleich, jene, an denen ich rasch vorbei, und jene, vor denen ich gern verweilte, einer eingangstür wegen, putte, toreinfahrt, oder den auslagen eines geschäfts/ inwendig gehen oder stehen, vor dem schallplattenladen am peterssteinweg etwa (peters steinweg übersetzte ich, also der weg von einem, der wohl nicht auf dem holzweg, dem hölzernen pflaster vorindustrieller zeit, das irgendwann brüchig, vielleicht auch faulig – was bedeutete es, auf den holzweg geraten zu sein, den weg allen holzes, wenn es nicht gerade von einer sehr beständigen sorte – das holz verarbeitet, zerkleinert, feuerholz, holzkohle, bohlen bretter möbel furnier, hinfälliger stoff, stoffliche, also vergängliche existenz, papier, jeder steinige pfad von längerer dauer, doch selbst die hölzerne auskleidung eines jungsteinzeitlichen brunnens vermochte man noch ans taglicht zu bringen/ also inwendig gehen, fassaden, bürgersteige, portale, stufen in sich hineinsehen, mozart, beethoven und bing crosby im schaufenster des plattenladens, klavierauszüge, ein schüchternes licht hinter der theke, glanz von innen, verstieg sich wer, darauf einzugehen –

der löwenzahn, den das gärtnernde volk nicht mag, mit ingrimm verfolgt, bleckt die zähne, nagt an den strasseneinfassungen, wandert den rinnstein entlang, lacht sich eins in den fugen, sagt dann: pusteblume das alles, das leben, und unbotmäßig schwebt er davon –