Archive für den Monat: August, 2016

„Die elfte These …“ Utopisches Nachdenken bei Wolfgang Hilbig lautete der Titel eines Podiumsgesprächs Anfang Juni in Leipzig, zu dem ich neben Helmut Böttiger (Literaturkritiker) und Stephan Pabst (Germanist) als Teilnehmerin geladen war  (09. Juni 2016 im Literaturhaus Leipzig). Vorbereitend machte ich mir Notizen, sowohl zu Utopien im Allgemeinen als auch zum Erscheinen utopischer Aspekte (oder deren Fehlen) in Hilbigs Texten. So ich mit Anderen über die bevorstehende Veranstaltung sprach, dominierte die Ansicht, bei diesem Dichter hätte man es doch eher mit Dystopien zu tun, dem Lebens- und Erfahrungshintergrund geschuldet, angesichts behaupteter Erfüllungsorte von Utopie. Und was ich in Hilbigs Texten beobachten konnte, war eine unverhohlene Skepsis gegenüber Utopien, deren Negation außerhalb der Sprache.

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wenn ich ins fensterglas blicke, im zug, zuhause, sehe ich die mutter, die tote, ihr antlitz, das knochig, den mundstrich, da öffnet sich nichts, der mund bleibt sichel, die wie?: unheilvoll im schemen schwebt – „du solltest nicht so tief ins glas blicken“ heißt es, und das umschreibt womöglich eine gewisse neigung zum erkenntniszwang, das blickt zurück vom grunde, eher noch: es starrt –

ostplatz 1971, kurz vor sieben, ein probant, der das nach innen schauen lernen will – Kaum eine linsentrübung, bescheinigt ihm der augenarzt, sie schielen ja nicht einmal. Der blick zur tafel: was können sie erkennen? – E … o … p … – Das ist falsch, völlig falsch, so kommen sie nie zu einer brille. Nun verdecken sie mal das rechte auge, bitteI … ö … vSchon besser, 0 komma 5 sind drin, immerhin besser als fensterglas

entwöhnt, ziemlich abrupt, schon eine woche, aber noch im sich finden begriffen, übermüdet (diese übermüdung chronisch, ab und an der gedanke, mutter anzurufen, was nicht mehr möglich, nie mehr, und dabei hatten wir doch sehr wenig text, in den letzten zehn jahren, im gegensatz zu früher – jetzt schauten wir oft nur einander an, lächelten, nickten uns zu, und das offensichtlich in der gewißheit, verschiedenen welten anzugehören …